Berlin, Juni 2019
Seit gestern findet im BCC am Alexanderplatz der “Deutsche Immobilientag” (1) des IVD statt. Das jährliche Treffen des Lobbyverbands der Makler*innen und Hausverwaltungen (2) hat nach Hamburg (2018) nun wieder Boom-City Berlin heimgesucht. Unter dem frechen Motto “Wir.leben.Immobilien”, tauscht sich die Branche über die Feinheiten der Vermarktung, Probleme der Verwertung und Profit-Potentiale aus. Wir haben dieses Event der Akteure der Verdrängung zum Anlass genommen, um ein paar von ihnen einem Realitätscheck zu unterziehen. Angegriffen wurden die Unternehmen Venn und Covivio, die sich im Co-Living/ Co-Working-Business tummeln.
Sharing isn’t Caring
In der Dirschauer Straße 10 (Friedrichshain) wurden die Scheiben der Berliner Zentrale des Co-Living Unternehmens Venn eingeschlagen. Venn ist ein mit vielen Millionen Dollar ausgestattetes Startup (3), dass seit 2015 Co-Living an den Standorten Tel Aviv, NewYork und Berlin anbietet. Angeblich leben in den Venn-Häusern rund 1.000 Menschen. In der Dirschauer Straße kostet ein Ein-Zimmer-Apartment inkl. Nutzung des Co-Workingspaces rund 1.600 Euro (4). In der Seumestr. 1/Simplonstr. 29 werden auch Einzelzimmer unterm Dach für 600 Euro angeboten. Beide Häuser, die Venn in Berlin betreibt, gehören Gijora Padovicz, der die Häuser vorher entmietet und modernisiert hat (5). Venn zählt zu den Unternehmen, die Kiez und Nachbarschaft als verkaufsfördernd begriffen haben. Dass Padovicz Nachbarschaften erstmal zerstört (wie jetzt im Fall der Liebig34), ist ihnen egal. Doch die Friedrichshainer Nachbarschaft wehrt sich gegen dieses Community-Modell 2.0. Vor dem 1.Mai wurden in dem Objekt in der Seumestr. 30 Scheiben zerstört (6).
An der Sonnenallee wurde letzte Nacht außerdem ein Service-Center sowie ein Auto der Covivio-Gruppe (7) ramponiert und der Schriftzug “CoRiot – Mietstreik” hinterlassen. Die Firma Covivio ist ein Zusammenschluss der Immeo-Gruppe und der französischen Immobiliengruppe Foncière des Régions. Der Immobilien-Bestand in Deutschland liegt bei rund 50.000 Wohnungen.
Der Konzern setzt seit neuestem auf das Geschäftsmodell des sog. Co-Living und Co-Working. Regulärer Wohnraum wird in Arbeitsplätze auf Zeit oder eine Art betreutes Wohnen für Yuppies umgewandelt. Dabei geht es Covivio nicht um ein solidarisches Zusammenleben, sondern einzig um Verdichtung: Weniger Raum für mehr Nutzer*innen – Mehr Rendite für weniger Platz. Dazu gehört: Möblierte und von sog. Community Manager*innen bespaßte Wohngemeinschaften oder ganze “Hausprojekte”. Die Zielgruppe sind Menschen, die kurzfristig ein Zimmer brauchen, Anschluss in den Metropolen suchen und Karrierenetzwerke aufbauen wollen. So lange das junge, akademische und technikverliebte Milieu in den Covivio-Behausungen auf Leistungs- und Erfolgskurs bleibt, ist alles in Ordnung. Wer versagt fällt schnell raus aus dem care-Modell des Plattform-Kapitalismus.
In Neukölln hat sich Covivio mit der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen einen Namen gemacht (8). Aktuell baut der Konzern am Columbiadamm ein siebenstöckiges Haus mit Eigentumswohnungen (9). Covivio ist nur ein Akteur, der an der Gentrifizierungs-Spirale aus Entmietung, Verdrängung, Modernisierung, Umwandlung in Eigentum und Luxus-Neubau dreht. Neukölln hat in den letzten Jahren massive Angriffe durch Investor*innen und kapitalkräftige Klientel abbekommen. Die Mieten sind immens gestiegen, ganze Straßenzüge, wo vorher eine gewisse Kiezkultur herrschte, sind als reine Kapitalanlagen verwaist. Doch anders als in anderen Bezirken ist dieser Prozeß in Neukölln noch nicht abgeschlossen. Widerstand lohnt sich.Mit dem CoRiot gegen CoLiving setzen wir uns solidarisch in Bezug mit allen, die sich gegen Gentrifizierung engagieren und nicht-kommerzielle Projekte des Zusammenlebens etablieren. Liebig34 und Syndikat bleiben!
(1) https://deutscher-immobilientag.de/
(2) https://ivd.net
(3) https://en.globes.co.il/en/article-israeli-startup-venn-builds-neighborhoods-of-the-future-1001254674
(4) https://m.venn.city/berlin/
(5) https://padowatch.noblogs.org/seume1-2-nach-5-jahren-modernisierung-nun-50-ferienwohnungen/
(6) https://de.indymedia.org/node/31760
(7) https://www.covivio.eu
(8) http://www.mietenbuendnis.de/1-covivio-veranstaltung-19-11-18/
(9) http://nk44.blogsport.de/2018/11/23/es-wird-gebaut-in-neukoelln/
Quelle: Indymedia