Köln, 9. April 2017
Diese Woche hat der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele sein Amt angetreten. Er will Langzeitarbeitslosen enger auf die Pelle rücken und kündigt eine „fürsorgliche Belagerung“ an. Wir haben zur Begrüßung die zentrale Arbeitsagentur in Köln (Luxemburger Str.) „feindlich belagert“ und dabei die Glasfassade eingeworfen.
Scheele will stärker auf seine Kund*innen „einwirken“ und sucht eine „Intensivierung des Kontakts“ zu Langzeitarbeitslosen: „Wenn man länger aus dem Job raus ist, braucht es manchmal einen Schubs, um zurückzukommen.“ Wir brauchten den heute Nacht nicht, sind ganz ohne entmündigende Fürsorge (zurück)gekommen und haben auf die Fassade „eingewirkt“. Scheele, ehemaliger Arbeits- und Sozialsenator in Hamburg, will den Druck erhöhen und bekennt sich in der aktuellen Debatte eindeutig zur Agenda 2010. Eine Vorstellung von seiner Art von Druck gibt seine Vergangenheit als Leiter der Beschäftigungsgesellschaft Hamburger Arbeit. Hier gehörte eine gängelnde Verwahrung von Langzeitarbeitslosen in sinnfreien (Ein-Euro)-Jobs, in denen zur Abschreckung das Arbeiten in seiner stumpfesten Ausprägung trainiert werden sollte, zum Programm.Passend zu Scheelees Initiative meldet sich ein lange tot geglaubter zurück: Peter Hartz. Der Namensgeber der unsäglichen Sozialkürzungsgesetze möchte Anfang Mai in Berlin seine „neuen Ideen“ öffentlich vorstellen.
Am liebsten würde er das anonym tun, denn sein Name sei verbrannt. Er leide immer noch darunter, dass sich seit 2003 der gesamte Agenda-2010-Unmut gegen ihn gerichtet hat, so Hartz in einem Interview Mitte März. Er hält unbeirrt am Geist der Agenda 2010 fest, will lediglich nachbessern und ist nicht einverstanden mit der Interpretation des SPD-Sternchen Schulz, die Agenda sei fehlerhaft.
Und was hat der „Aktivierer“ und korrupte Ex-VW-Vorstand diesmal im Gepäck?
Neue Reformvorschläge und neue „Arbeitsmarktinstrumente“. So will er nun auch die 70 bis 95-jährigen aktivieren. Kein April-Scherz sondern absolut ernst gemeint! Die von ihm als „Longinos“ benannten Unermüdlichen sollen auch im hohen Alter noch ihren Beitrag auf dem Arbeitsmarkt leisten – zunächst freiwillig. Allen ist klar, dass ein solcher Diskurs-Beitrag lediglich die Akzeptanz für eine deutliche Anhebung bzw. die Auflösung eines fest definierten Renteneintrittalters stärken soll. Lebenslanges Arbeiten soll zur Normalität werden. Und Peter stellt dies als Chance dar, im Alter nicht aufs Abstellgleis geschoben zu werden.
Offenbar seine ur-eigene Angst und so bietet sich der alte, zynische „Modernisierer“, dem die historische Mission unter Rot-Grün das massivste soziale Kürzungsprogramm umgesetzt zu haben, noch nicht reicht, erneut an: als durchsetzungsstarkes Arschloch der SPD, auf den die Politik auch zukünftig den Hass aller Überflüssigen abwälzen soll. Einer, der unbeirrt an der Zerstörung des Sozialen festhält und sich damit noch tiefer in die Geschichtsbücher einschreiben will.
Beiden „Optimierern“ gilt unsere Verachtung und unser Angriff. Wir antworten vorsorglich mit „wenig fürsorglicher Belagerung“. Solltet ihr tatsächlich an der Schraube der unsozialen Zumutungen weiter drehen, droht euch wie 2004 – 2006 eine ganz anderes Ausmaß von „Belagerung“.
Wir verstehen unsere Aktion als kleinen Beitrag zum G20-Aktionsmonat April und unterstützen damit die Kampagne „Das Ruder rumreißen, auf dass der Wind sich dreht!“
Quelle: Linksunten