Jena, 12. Juni 2016
Am Abend des 11.6. kam es am Containerlager für Geflüchtete am Grießparkplatz in Jena-Ost zu einem Naziübergriff. Die Polizei stellte zwei der Angreifer. In derselben Nacht wurden die Nazis noch von einer Gruppe Vermummter angegriffen und verletzt. Am nächsten Tag (12.6.) stand eine Antifa-Sponti von 140 Leuten bei einem der Faschos vor der Haustür und demonstrierte danach unangemeldet durch die Stadt.
Burschen, Nazis, Bier an der Saale: Deutschland in HöchstformDie Nazis hatten zuvor offenbar ein Trinkgelage am Camsdorfer Ufer an der Saale veranstaltet, wo sich laut Beobachter_innen zur selben Zeit auch Burschenschaftler u.a. von der Rhenania mit Biertischgarnituren breitgemacht haben sollen. Danach zogen 5-6 Nazis zum nahegelegenen Containerlager am Grieß, wo sie Geflüchtete rassistisch beschimpften, „White Power“ grölten und mit Steinen und Flaschen bewarfen. Tiefe Beulen an den Containern zeugten am nächsten Tag von der Schlagkraft der Würfe, die glücklicherweise niemanden trafen. Nachdem die Polizei zwei der Täter, die grölend weitergezogen waren, vor ihrer Wohnung aufgriff und Anzeigen wegen Beleidigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung aufnahm, kehrte ein Streifenwagen mit einem der Täter zurück zum Lager. Einer der Nazis behauptete nun, die Geflüchteten hätten sich ihrerseits mit einem Steinwurf gewehrt, weshalb die Polizei Ermittlungen gegen die Geflüchteten aufnahm.
Nazis nachts abgefangen
Als die Polizei ihre Arbeit verrichtet hatte, mithilfe der Nazis aus den Betroffenen Täter_innen zu machen, liefen die Nazis in Richtung Stadt. Auf dem Steinweg trafen sie dann wohl auf eine Gruppe schwarz Vermummter, die ihnen non-verbal vermittelte, was sie von Nazischlägern halten. Zwei Nazis wurden verletzt. Die Angreifer_innen entkamen unerkannt, bevor die Polizei erneut wegen der Nazis anrückte.(1)
Sponti und Hausbesuch: Eric Bohn, Clara-Zetkin-Str. 14 – Nazischläger aus der Deckung holen
Am nächsten Tag versammelten sich ca. 100 Menschen am Grieß, um sich mit den Geflüchteten zu solidarisieren. Zunächst wurde sich im Lager per Mikrofon und Übersetzung in drei Sprachen darüber ausgetauscht, was vergangene Nacht geschehen war. Die Geflüchteten schilderten die Angriffe und die Wiederkehr der Polizei mit einem der Täter, um Anzeigen gegen die Geflüchteten aufzunehmen. Sie schilderten jedoch auch frühere rassistische Übergriffe, die sie oder Freund_innen in Jena betrafen. Danach wurde beschlossen, eine Spontandemo abzuhalten. Ein Streifenwagen, der zwischenzeitlich bereits vor dem Lager parkte, war zu dem Zeitpunkt wieder weg. Da mittels solidarischer antifaschistischer Netzwerke bereits Name und Adresse eines der Täter bekannt geworden war, beschloss die Demo, ihm einen kleinen Besuch abzustatten. Auf direktem Weg wurde die Wiesenstraße überquert und nach Unterquerung der Bahngleise in den Spitzweidenweg eingebogen. Dort wurden in Redebeiträgen die Anwohner_innen über ihren Nazinachbarn und dessen nächtliche Übergriffe aufgeklärt, bevor direkt vor sein Haus gezogen wurde: Vor der Clara-Zetkin-Straße 14, dem Wohnort des am Übergriff beteiligten Nazis Eric Bohn, hielt die Demo, immer noch ohne Polizeibegleitung, eine Kundgebung ab. Viele Nachbar_innen öffneten ihre Fenster, um wahlweise zuzuhören, überrascht nachzufragen, zu filmen oder auch den Mittelfinger zu zeigen. Die Botschaft der zu diesem Zeitpunkt ca. 140 Menschen, darunter mehrere Gruppen Geflüchteter vom Grieß, war unmissverständlich: „Wenn ihr unsere Freund_innen angreift, kommen wir zu euch nach Hause!“
Burschenschaften, AfD-Abgeordnete und Nazikneipen – Nazis die Rückzugsräume nehmen
Als auf der Camburger Straße mehrere Wannen eintrafen, versuchten die Bullen, eine_n Verantwortliche_n für die Demo zu finden, womit sie scheiterten. Sie beschränkten sich nach kurzer Nachfrage, in welche Richtung es gehen solle, darauf, den Verkehr zu regeln. Die Demo zog nun zur Burschenschaft Rhenania am Spittelplatz, um deren Rolle am vorherigen Abend und deren Institution als nationalistischer, chauvinistischer Männerbund zu kritisieren. Die nächste Station war das Wohnhaus von Wiebke Muhsal, Landtags-Abgeordnete der AfD im Bibliotheksweg 1a. Ihr Haus ist seit mehreren Monaten dank nicht entfernter früherer Farbbeutelwürfe unverfehlbar.(2) Hier wurde ebenfalls in einem Redebeitrag auf ihre Rolle innerhalb rassistischer Mobilisierungen verwiesen. Nachdem die Demo in die Innenstadt gezogen war, gab es eine kurze Zwischenkundgebung am Holzmarkt, wo Cafébesucher_innen über die Vorfälle des Vorabends aufgeklärt wurden, aber auch die örtliche Kneipe „Gilde“ thematisiert wurde. In dieser sammeln sich immer wieder Chauvinisten und Nazis zum Trinken vor und nach Fußballspielen oder AfD-/Thügida-Aufmärschen. Pöbeleien sind regelmäßig und auch Übergriffe gab es in diesem Jahr schon aus der „Gilde“ heraus. Zum Abschluss zog die Demo über den Steinweg zur „Grünen Tanne“, Sitz der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller und wiederholte Gastgeberin örtlicher AfD-Versammlungen. Darüber wurde die gut besuchte Außenterasse aufgeklärt und unsere zukünftigen Pläne für das ansehnliche Gebäude ausgebreitet: Ein Soziales Zentrum mit Wohnraum für Geflüchtete! Mit Sprechchören „Burschen vertreiben – Flüchtlinge bleiben!“ zog die Demo dann zurück zum Lager am Grieß, wo bei einsetzendem Regen noch ein paar Absprachen mit den Bewohner_innen hinsichtlich zukünftiger Aktionen getroffen wurde. Die Bullen, die sich die gesamte Zeit über angesichts ihrer paar verfügbaren Wannen und Beamt_innen auf Verkehrsregelung beschränkt hatten, bekundeten noch verhalten ihre Überforderung mit der relativ großen und flotten Spontandemo und fuhren dann davon.
(1) Thüringer Landeszeitung: Angreifer später selbst angegriffen: Solidaritätsdemo für Asylbewerber in Jena
http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Nach-Angriff-auf-Asylbewerber-Spontane-Solidaritaetsdemo-in-Jena-Update-1368958721(2) Demo der AfD in Jena – Autonom begrüßen
https://linksunten.indymedia.org/de/node/165834
Quelle: Linksunten