Wir halten es für sinnvoll einige Worte zu einem Konflikt zu verlieren, der in den letzten Monaten die Gemüter der Menschen im Karolinenviertel und darüber hinaus erhitzt hat.
Anfang des Jahres wurde bekannt gegeben, dass die Karodiele (ein Durchgang zwischen Sternstraße und dem Karolinenviertel) nachts geschlossen werden soll. Dieser diente zuvor Obdachlosen als Schlafplatz und Jugendlichen als Treffpunkt. Laut der Eigentümerin STEG (Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft) und den anliegenden Läden (u.a. dem Knust) lag diese Maßnahme in wiederkehrenden Polizeieinsätzen und der Vermüllung sowie Beschädigung des Durchgangs begründet.
Jedoch blieb diese Entwicklung nicht ganz ohne Widerspruch. Nachdem sich die Schließung immer wieder verzögert hatte, wurde schließlich der 01. März als Datum festgesetzt. Knapp eine Woche davor tauchten im Viertel und im Internet Aufrufe zu einer „Party gegen Verdrängung“ auf. Es fanden sich ca. 50 Leute bei guter Stimmung am Stichtag in der Diele ein und so verschob sich die Schließung vorerst. Außerdem tauchten ab diesem Zeitpunkt mehrfach Graffiti mit Parolen gegen die Schließung auf und die Schlösser wurden verklebt. Zuerst geschlossen wurde die Diele dann am 08. März. In mehreren Nächten mussten ab dann die Bullen (u.a. mit Hunden) anrücken um die Diele von sich widersetzenden Menschen zu räumen.
Es kam außerdem zu mehreren Sachbeschädigungen an den extra für den Zweck der Schließung angebrachten neuen Glastüren. So wurden in der Zeit von Mitte April bis Ende Mai 22 von 24 der neuen Scheiben zerstört. Auch wurden die Scheiben immer wieder mit Farbe angegriffen.
Es ließ sich während der ganzen Zeit beobachten, dass der Konflikt ein relevantes Gesprächsthema für Anwohner*innen und Passant*innen geworden war. Die Schließung und der sich dagegen regende Widerstand wurden sowohl auf den Straßen als auch in der Presse (z.B. Hinz und Kunzt April) kontrovers diskutiert. Viele äußerten ihren Unmut gegen das Handeln der STEG, zumal diese nicht das erste Mal negativ als Akteurin der Verdrängung und Gentrifizierung in Hamburg auffällt.
Die Entwicklungen um die Karodiele haben gezeigt welche Auswirkungen es haben kann, wenn Konflikte wie diese benannt werden und Menschen selbstorganisiert mit verschiedenen Mitteln darin intervenieren. Der Konflikt hat im Viertel Diskussionen zum Thema Gentrifizierung angeregt, hat in sich verschiedene Formen des Ausdrucks und des Kampfes vereint und nicht zuletzt auch direkten Einfluss darauf gehabt, wie leicht es den Akteur*innen fiel ihre Maßnahmen einfach ungehindert umzusetzen. Wir sehen es als wichtig an weiterhin Konflikte wie diese zu befeuern und Projekte der Verdrängung zu benennen und anzugreifen. Denn nur so können wir erleben was es heißt über unseren Lebensraum selbst zu bestimmen und uns nicht von Stadtentwickler*innen und deren Gleichen diktieren zu lassen wie wir zu leben haben. Nur so können wir Raum schaffen um in den Austausch zu treten darüber, wie wir unsere Viertel wahrnehmen und wo uns die Yuppies Co. die Luft zum Atmen nehmen. Denn an Projekten wie der Schließung der Karodiele mangelt es mitnichten, im Großen wie im Kleinen. In dieser Stadt wird an jeder Ecke dauerhaft aufgewertet und verdrängt. Schon wenn man nur etwas weiterblickt: Der Umbau des Bunkers, Kameras am Hansaplatz… An Anhaltspunkten um sich diesen Entwicklungen entgegenzustellen mangelt es nicht. Es braucht nur einige Entschlossene, die die Initiative ergreifen, denn die Verdrängung setzt sich aus genau diesen kleinen, vermeintlich nicht so wichtigen, Puzzleteilen zusammen.
Quelle: Indymedia (Tor)