Hamburg, 8. Juli 2017
Wir haben am frühen Morgen des Gipfel-Samstags ein im Dohrnweg geparktes Diplomaten-Fahrzeug (Kennzeichen 0-) in Hamburg-Sternschanze angezündet. In unmittelbarer Nachbarschaft zur begrüßenswerten, politischen Randale am Schulterblatt brannte der Kleinbus für den Transport von Regierungsangehörigen vollständig aus.
Wir möchten diese Aktion als eine von vielen dokumentieren, die sich in Hamburgs aufständischen Tagen weder als „sinnlos“ noch „ungezielt“ diffamieren lassen. Wir sind dabei explizit solidarisch mit den Plünderungen und Ausschreitungen der Gipfelnächte, die aktuell von einigen leichtfertig als „kontraproduktiv“ abgeurteilt werden. Kritik an einzelnen Aktionen muss jederzeit möglich sein – manchmal sogar öffentlich. So bedauern wir z.B. die zerstörten Kleinwagen der Gipfelrevolte. Eine quasi-pauschale Distanzierung von der Gesamtheit der Geschehnisse einer Nacht in der Schanze halten wir jedoch für bürgerlich, politisch falsch und fatal. Das gilt auch für die Reduktion der Kritik auf ein „Bitte nicht in unserem Viertel“.Wir, die wir den Kontrollverlust als revolutionäre Chance propagieren; wir, die wir mit der Parole „Alles für Alle“ Aneignungsaktionen begrüßen und anregen, sollten die „Verselbständigung“, das „Spontane“ der Ereignisse einer bemerkenswert widerständischen Nacht nicht diskreditieren. Wir können nichts Anstößiges am Gratis-Einkauf bei Rewe und Budni erkennen. Dass viele im Viertel dies als bedrohlich empfinden, ist bedauerlich aber nicht verwunderlich. Ist die Plünderung und das Abfackeln des Bolle-Supermarks am ersten Mai 1987 in Berlin nur deshalb ein positiver Bezugspunkt für uns, weil es uns als weit zurück liegendes Geschichtsereignis nicht mehr in Bedrängnis bringt?
Gezielte Angriffe gegen Polizeikonvois, gezielte Zerstörung von Gipfelinfrastruktur als einfacher vermittelbares militantes Handeln ist doch ohne die „Randale“ eines temporären Aufbegehrens (übrigens an mehreren Orten Hamburgs!) gar nicht denkbar. Wir glauben zu wissen, dass die jetzigen Bedenkenträger*innen das bislang ebenso gesehen haben. Wir verstehen, dass viele nun die innenpolitische Hetze eines repressiven law-and-order Kurses im anstehenden Wahlkampf fürchten. Wir verstehen, dass mensch geneigt sein könnte, politischen Schaden von den eigenen Strukturen abzuwenden. Die Kategorisierung widerständischen Handelns mit der Herabstufung von vermeintlich sinnlosen “Krawallen“ wird da jedoch nicht weiter helfen. Ein solidarisches Zusammenstehen der verschiedenen Protestspektren (das über weite Strecken des Gipfelprotests bemerkenswert gut geklappt hat) OHNE Abgrenzung von vermeintlich unpolitischen, vermeintlich auswärtigen „Randale-Kids“ erscheint uns als bessere Strategie.
Quelle: Linksunten