Bielefeld, 15. November 2016
wir haben in der nacht vom 14. auf den 15.11.2016 in bielefeld den kik im ortsteil brake, den kik in sieker, h+m in der innenstadt und decathlon in sennestadt angegriffen. dort wurde mit farbfeuerlöschern die fassade verschönert, gesprüht und/oder entglast.
mit unserer aktion setzen wir ein zeichen gegen die ausbeutung und unterdrückung von arbeiter*innen in ländern wie bangladesch, indien oder pakistan durch die hiesigen unternehmen der bekleidungsindustrie. wir betrachten die aktion als teil einer vielfältigen militanten praxis, die seit einigen jahren in der brd und anderswo versucht, mit angriffen auf den vertrieb und die geschäftsräume der bekleidungsindustrie die menschenverachtung der unternehmen öffentlich zu machen. und sie ist ein zeichen von solidarität mit den kämpfenden menschen vor ort, die sich mit streiks und militanten aktionen gegen ihre ausbeutung zur wehr setzen. ansätze von protest, widerständigem verhalten oder gar gewerkschaftlicher organisierung – etwa mit dem ziel, gegen die willkür der vorgesetzten vorzugehen, den arbeitsschutz oder die löhne zu verbessern – werden rigoros bekämpft. die unternehmen reagieren mit entlassungen, lohnkürzungen oder brutaler gewalt und werden dabei von polizei, armee und paramilitärs unterstützt. drohungen, verhaftungen, überfälle und politische morde gehören zum alltag.
viele textilfirmen lassen ihre produkte in „billiglohnländern“ herstellen, insbesondere in asien, aber auch in europa, z.b. in rumänien oder der türkei. öffentlich wahrgenommen werden die in den fabriken herrschenden katastrophalen arbeitsbedingungen nur selten. skandalisierungen gibt es allenfalls bei aufsehenerregenden unfällen – so etwa als im april 2013 beim einsturz des rana-plaza-gebäudes in der stadt sabhar in bangladesch über 1100 menschen, überwiegend näher*innen, ums leben kamen und sich herausstellte, dass dort für gleich mehrere renommierte unternehmen produziert wurde. wegen einer weiteren katastrophe im september 2012, einem fabrikbrand in pakistan mit über 200 toten, wird von überlebenden und angehörigen zurzeit in dortmund ein strafprozess gegen die firma kik vorbereitet. doch nicht nur textildiscounter beteiligen sich an diesem schmutzigen geschäft. auch hochpreisige klamotten werden in überfüllten, lärmenden fabrikhallen unter größtmöglicher arbeitshetze, zum teil sogar von kindern, oft deutlich jünger als vierzehn jahre, hergestellt. h&m, c&a sowie die hiesige nobelmarke gerry weber sind da nicht besser als kik. schutzmaßnahmen vor hitze, lärm oder giftigen chemikalien sind so gut wie nicht vorhanden. die entlohnung mit ein paar dollar pro tag ist lächerlich. hinzu kommt, dass die unternehmen häufig knebelverträge aufsetzen, die mitarbeitende durch einbehalt von lohn langfristig binden und zu modernen sklav*innen degradieren.in den arbeitsbedingungen spiegelt sich auch eine krasse patriarchale unterdrückung wider. frauen werden schlechter bezahlt als männer, müssen im schichtsystem unter akkordbedingungen schuften und können im falle einer schwangerschaft mit entlassung rechnen. dabei sind sie die ganze zeit der willkür, den erniedrigungen und der sexualisierten gewalt ihrer männlichen vorgesetzten ausgeliefert. die ausbeutung durch lohnsklaverei, bei der gehälter erst am ende einer vertragslaufzeit ausgezahlt werden, wird besonders häufig bei frauen angewandt. diese zustände schaffen persönliche abhängigkeiten, die kaum anders als mit leibeigenschaft beschrieben werden können.
den textilunternehmen sind diese produktionsbedingungen bestens bekannt. an grundlegenden verbesserungen, die den profit schmälern würden, sind sie nicht interessiert, doch sehen sie sich auch einer imageschädigenden öffentlichen kritik ausgesetzt. aus diesem grund versuchen sie mit hohem aufwand, den quell ihres reichtums zu verschleiern und ihre „sauberen“ marken von dem unrecht, das an ihnen haftet, und dem blut, das an ihnen klebt, reinzuwaschen. so vergeben sie lizenzen an andere unternehmen, die für sie stellvertretend rohstoffe verarbeiten und waren fertigen lassen oder den vertrieb organisieren. eine andere möglichkeit, das image rein zu halten, sind pseudo-zertifikate, mit denen die unternehmen sich selbst die einhaltung von umwelt- oder sozialstandards attestieren. die ausbeutung und gewalt, von der die textilbranche profitiert, wird so durch systematische lügen verschleiert.
der gesellschaftliche reichtum in diesem land beruht auf globaler ausbeutung. die hat sich in den letzten jahren immer mehr verschärft, denn es ist für die unternehmen zunehmend schwieriger geworden, ihre profite zu erhöhen und die konkurrenz auszubooten. leiden müssen darunter in erster linie die menschen in den produktionsländern. wirtschaftliche not, hunger und kriege sind ebenso eine folge dieser situation wie flucht und zuwanderung in die länder, die von der ausbeutung profitieren. es ist unerträglich, wenn menschen, die aufgrund hier geplanter armut nach europa kommen, von staatlicher seite als „wirtschaftsflüchtlinge“ diffamiert und gegen andere gruppen, z.b. kriegsflüchtlinge, ausgespielt werden. diese staatliche ausgrenzung und abschottung findet ihre entsprechung in der brutalität des rassismus. die zunehmende rassistische mobilisierung zeigt deutlich, dass viele menschen in der brd inzwischen dazu bereit sind, ihren reichtum und ihre privilegien mit gewalt gegen diejenigen zu verteidigen, auf deren kosten er erwirtschaftet wurde. verlustängste und verinnerlichter rassismus bilden den nährboden für pegida, afd u.ä.
nicht jede*r kann es sich leisten, öko- und fair-trade-klamotten zu kaufen, und da wollen wir auch gar nicht hin. und unsere aktion richtet sich auch nicht gegen diejenigen, die aus wirtschaftlicher notwendigkeit auf billigkleidung angewiesen sind. schließlich verschärfen sich auch hier seit vielen jahren die verhältnisse hin zu einer umfassenden armut. allerdings trägt ein unkritischer konsum und die bereitwillige übernahme rassistischer ausgrenzung dazu bei, die verhältnisse zu stabilisieren oder sogar zu verschärfen. dabei ist es relativ einfach, sich an kampagnen gegen die bekleidungsindustrie zu beteiligen und sich dadurch mit den menschen vor ort praktisch zu solidarisieren.
es ist längst überfällig, sich gegen diese entwicklungen zu wehren, die verantwortlichen öffentlich zu machen, ihr geschäft zu sabotieren und über ihre machenschaften zu informieren. unser angriff auf die textilbranche ist ein angriff auf weltweite patriarchale, rassistische und kapitalistische verhältnisse und ausdruck internationaler solidarität.
kapitalismus ist krieg
für eine herrschaftsfreie und solidarische gesellschaft
Quelle: Linksunten