Vor knapp drei Wochen hatten sich Nazis um Thorsten Heise und Jens Wilke für den heutigen Tag groß angekündigt: Nach elf Jahren sollte es wieder eine Nazi-Demonstration in Göttingen geben, für die bundesweit mobilisiert werden sollte. Dazu kam es nicht. Die glaubhafte Ankündigung, Göttingen in den antifaschistischen Ausnahmezustand zu versetzen, überzeugte auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg davon, dass man Nazis in Göttingen nicht laufen lassen kann.
Die Entscheidung des OVG wurde erst am Freitagabend bekanntgegeben und von der derzeit laufenden Antifa-Vorabenddemo mit Jubel quittiert. Bereits am Vorabend konnten über 450 Antifaschist*innen ein kraftvolles Zeichen für Nazifreie Zonen setzen. Aus linken Häusern entlang der Route wurde mehrfach Pyrotechnik gezündet. Währenddessen schlossen sich immer mehr Menschen der Demo an. Ein besoffener Nazi entschied sich dummerweise dafür, am Rande der Demo den Hitlergruß zu zeigen und musste kurze Zeit später den Straßenbelag näher in Augenschein nehmen. Davon abgesehen endete die Demo ohne Zwischenfälle auf dem Campus.In Anbetracht dessen, dass der Aufmarsch schon im Vorfeld durch antifaschistisches Engagement verhindert werden konnte, blieben größere Gegenaktionen aus. Lediglich wenige brennende Barrikaden im Bereich Goßlerstraße und Humboldtallee ließen erahnen, was droht, wenn Nazis versuchen in Göttingen zu laufen. Auch wurde die Anreise der Nazis verzögert: Eine größere Gruppe von Menschen blockierte die Gleise in Richtung Norden mit einer Materialblockade. Leider wurden in der Nähe 20 Genoss*innen festgenommen. Nachdem die Bullen ihre Personalien aufnahmen und Filmaufnahmen anfertigten wurden die Genoss*innen zur Hauptwache gebracht und dort freigelassen. Eine spontane Soli-Kundgebung nahm sie jubelnd in Empfang. Die daraus entstehenden Verfahren werden wir solidarisch begleiten!
Schließlich versammelten sich nach und nach etwas mehr als 90 armselige Nazi-Gestalten in dem bereits bekannten Käfig aus Hamburger Gittern auf dem Bahnhofsvorplatz. Ihnen gegenüber und zu Ihren Seiten hin fanden sich hunderte Gegendemonstrant*innen ein, die jeden Versuch der Nazis, ihre menschenverachtenden Botschaften kundzutun, erfolgreich übertönten. Nachdem sich zunächst abzeichnete, dass die Bullen über die Godehardstraße einen Weg für den noch fehlenden Lautsprecherwagen freimachen würden, wurde dieser Gedanke kurze Zeit später offenbar wieder verworfen. Das Risiko, die antifaschistische Reaktion auf den NPD-Lautsprecherwagen nicht händeln zu können, war wohl zu groß. So blieb den Nazis letztlich nicht viel über, als nach kurzen verzweifelten Redebeiträgen über eine mobile Lautsprecheranlage, die Abreise anzutreten. Statt der angekündigten 6 Stunden blieben die Nazis nicht mal eine Stunde auf dem Bahnhofsvorplatz.
Nach dem erbärmlichen Auftritt in Göttingen blieb den Nazis nichts Anderes übrig, als den ersehnten Aufmarsch ins nahegelegene Northeim zu verlagern. Angeführt von u.a. Gianluca Bruno in der ersten Reihe und begleitet von Heises lieblicher Stimme liefen sie verzweifelt durch Northeim. Auch hier wurde der Aufmarsch von Gegendemonstrant*innen begleitet. Da das die Nazis von außerhalb nicht befriedigte, machten sich 20 von ihnen auf den Weg zurück nach Göttingen. Sie mussten schnell feststellen, dass sie aufgrund der Präsenz von Antifaschist*innen auf dem Vorplatz keine Chance hatten den Bahnhof zu verlassen. Lautstark wurde ihnen vermittelt, dass sie in Göttingen nicht erwünscht seien. Nur unter Schutz der Polizei, die Schlagstöcke und Pfefferspray einsetzte, konnten sie Gleis und Busbahnhof erreichen.
Während der NPD Kundgebungen gab es wie so oft einen Brandanschlag auf ein in Friedland abgestelltes Nazi-Auto. Jens Wilke fühlte sich veranlasst eine Spontandemonstration durchs Dorf zu veranstalten, die ebenfalls von Störrufen einer engagierten Anwohnerin behindert wurde.
An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Genoss*innen bedanken, die heute auf der Straße waren – insbesondere bei den vielen entschlossenen angereisten Antifas. Dank euch konnten wir glaubhaft versichern, dass jede Nazi-Demo in Göttingen im Desaster für Nazis und Polizei endet. Wir haben den Naziaufmarsch verhindert, schon bevor sie die Anreise antraten. Der antifaschistische Druck auf Justiz und Polizei zwang diese dazu, die Demonstration zu verbieten. Dank dieser weisen Entscheidung des Gerichts bekam Göttingen heute nur einen Hauch dessen zu spüren, was eine Nazi-Demo in Göttingen für Folgen mit sich bringt.
Das Ergebnis unserer abschließenden Reflektion der Tage wird in Kürze folgen.
Mit antifaschistischen Grüßen
Bündnis Goldener Herbst 2.0
Quelle: Linksunten