Die Gewalt im Wahlkampf scheint weiter zu eskalieren: In der Nacht zum Donnerstag wurde der Wahlkampfbus von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel von Unbekannten in Brand gesetzt. Der Bus war von der SPD-Lichtenberg gemietet worden – auf der rechten Fahrzeugseite ist das Porträt des Senators abgebildet, der in Lichtenberg die SPD-Liste für die Abgeordnetenhauswahl anführt. Auf der linken ist das Bild von Bezirksbürgermeisterin Birgit Monteiro zu sehen. „Das ist ein Anschlag auf die Demokratie“, sagte Geisel der Berliner Zeitung.
Der Senator war am Donnerstagmorgen auf dem Weg in sein Büro in Mitte, als er über WhatsApp über den Brandanschlag in der Rathausstraße informiert wurde. Er machte sofort kehrt, um sich den Tatort gleich neben dem Rathaus Lichtenberg anzusehen – Fahrerhaus und auch der Motorblock des Mercedes-Vito sind ausgebrannt.
Kohleanzünder als BrandbeschleunigerWie Ermittler der Polizei sagen, wurde wahrscheinlich Kohlenanzünder auf einen Vorderreifen gelegt und angezündet. Passanten hatten kurz nach 2 Uhr die Polizei in die Rathausstraße gerufen, nachdem sie die Flammen an dem SPD-Bus entdeckt hatten. Die Feuerwehr löschte den Brand. Sie konnte aber nicht verhindern, dass auch ein daneben geparkter Seat stark beschädigt wurde.
Wie Geisel sagt, gehört das Auto einer älteren Dame, die den Wagen ihrem Sohn geliehen hatte. „Es macht mich fassungslos, dass völlig Unbeteiligte mit hineingezogen werden“, so Geisel. Glücklicherweise seien keine Menschen verletzt worden. Am Brandort wurden Spuren gesichert, inzwischen hat der Polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen. Ein Bekennerschreiben gibt es bisher nicht.
Erklärungen, wer für den Anschlag verantwortlich sein könnte, haben Geisel und Monteiro nicht. „Es wird aber deutlich, dass bei der Wahl am 18. September in der Kernfrage darüber abgestimmt wird, ob Berlin eine weltoffene, bunte, tolerante Stadt bleiben wird oder nicht“, sagte Geisel. „Hier sind die Gegner der Demokratie am Werk, die Autos abbrennen. Die, die zündeln, wollen diese weltoffene Stadt nicht.“
Erst am Montag hatten die Landesverbände von SPD, Grünen und Linken eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, wonach Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung sei. Sie warnen vor einer „Radikalisierung der Sprache im Wahlkampf“ sowie einer steigenden Anzahl von Angriffen auf Menschen, die sich im Wahlkampf engagieren.
Denn die Polizei hat in diesem Jahr schon mehr als 60 Anschläge auf Parteigebäude und Politiker registriert, die der politisch motivierten Kriminalität zuzuordnen sind. Zur Abgeordnetenhauswahl 2011 wurden im gesamten Jahr 269 Delikte gezählt.
Angriffe häufen sich
Vor allem in den letzten Wochen vor der Wahl scheinen die politischen Lager ihre Auseinandersetzungen vermehrt gewaltsam auf der Straße auszutragen. So häufen sich in diesem Monat die Attacken auf Politiker: Anfang August brannte zum Beispiel der Wahlkampfbus des Schaustellers Thilo-Harry Wollenschläger aus, der für die CDU in Spandau ein Direktmandat holen will. Dann wurden die Reifen eines Privatautos von Onur Bayar zerstochen, der für die CDU in Neukölln antritt.
Zuletzt hatten Unbekannte das Büro des SPD-Abgeordneten Björn Eggert in der Oranienstraße in Kreuzberg angegriffen und vier Fensterscheiben beschädigt, zu der Attacke bekannte sich die linke Szene. Dass der Anschlag auf den Bus der SPD-Lichtenberg etwas mit Wahlkampfspenden zu tun hat, glaubt Monteiro nicht. Der Kreisverband war kritisiert worden, weil er Spenden des Projektentwicklers Klaus Groth knapp unter der veröffentlichungspflichtigen Grenze von 10.000 Euro angenommen hatte.
Die Angriffe auf den demokratischen Wahlkampf hätten ein unerträgliches Maß erreicht, sagt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er verurteilt die Angriffe auf Büros, Pöbeleien unterster Schublade an Infoständen, flächendeckende Beschädigung von Wahlplakaten und Brandanschläge auf Autos. „Gewalt und Einschüchterungen, ganz gleich ob aus dem rechts- oder linksextremen Spektrum, werden wir nicht hinnehmen und mit der Härte des Rechtsstaates verfolgen“, so Müller.
Innensenator Frank Henkel (CDU) sagt zu dem Anschlag: „Die Gegner unseres demokratischen Systems zeigen dabei ihr wahres Gesicht. Sie sind feige. Sie scheuen die Debatte, ihr vermeintliches Mittel ist die Zerstörung. Sie nehmen die Gefahr für Leib und Leben billigend in Kauf.“
Geisel setzt Wahlkampf fort
Monteiro macht sich wegen der Zuspitzung Sorgen. Man habe immer die Bilder von beschmierten Hauswänden und eingeworfenen Fensterscheiben im Kopf, sagt sie. „Ich habe mich deshalb sehr über die Solidarität aller Parteien gefreut.“ Und Geisel sagt: „Ich lasse mich nicht einschüchtern.“ Schon am Nachmittag wollte er seinen Wahlkampf mit einem Termin in Friedrichsfelde fortsetzen.
Quelle: Berliner Zeitung
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