Auch wenn wir jede Zusammenarbeit mit Parteien und Repräsentant/innen des Staates ablehnen, kommen wir leider nicht an dem Widerspruch vorbei, auf die Initiative des Abgeordneten Lauer und des Bürgermeisters Müller, Verhandlungen mit den „Linksextremen“ aufzunehmen, eingehen zu müssen.
Vorweg etwas zur Klärung der bislang erfolgreich von interessierter Seite vernebelten Positionen im Konflikt um die Rigaer Straße. Wir sprechen nicht für alle militanten Gruppen in Berlin sondern lediglich für einige temporäre Zusammenschlüsse. Auch wenn es durch die Presse und den Innensenator unter Inkaufnahme strategischer Fehler und eines Verlustes an Glaubwürdigkeit immer wieder falsch dargestellt wird: die Rigaer 94 ist nicht die Autonomen Gruppen und die Autonomen Gruppen sind nicht die Rigaer 94.
Eine korrekte Beschreibung wäre, dass die Rigaer 94 und zahlreiche andere Projekte, Initiativen und Einzelpersonen zu einer Strömung gehören, in der Teile der Autonomen Gruppen ebenfalls tätig sind.Das Ziel und die Hauptbeschäftigung der Autonomen Gruppen ist nicht Gewalt – oder Terror wie es uns inzwischen täglich unterstellt wird. Wer die Texte von uns und unseren Vorgänger/innen der letzten Jahrzehnte gelesen hat, weiss das wir Teil einer Gesellschaft sind, die wir gleichzeitig bekämpfen, dass wir neben dir im Bus sitzen und zur Arbeit fahren, hinter dir im Supermarkt an der Kasse stehen und vielleicht auch im selben Haus wohnen.
Wenn es die Leitung der Repressionsbehörden für erforderlich hielt, Bereiche unserer Strömung um einige Quadratmeter zu verkleinern, wie beispielsweise die Räumung der Liebig 14, die Räumung der Familie Gülbol in der Lausitzer Straße, die Räumung der Brunnen 183 oder die unzähligen weiteren Angriffe der Vergangenheit, glaubte das System jedes Mal unsere Räume enger zu machen in dem sie diese Quadratmeter der kapitalistischen Verwertung zuführte. Ein fataler Fehler, denn die Autonomen Gruppen sind eben nicht an Räume oder Personen gebunden, sie sind eine gesellschaftliche Erscheinung, die tätig wird wenn sich diese Strömung durch Ereignisse konzentriert. Wer uns zerstören will, muss die ganze Gesellschaft zerstören.
Es hat uns immer schon an allen Orten gegeben und fast immer gab es andere Bezeichnungen für uns. Oft werden wir tätig in Konflikten, in denen wir keinen persönlichen Bezug zu den Beteiligten haben. Selten sind wir in letzter Zeit aus der reaktiven Position heraus gekommen um Utopien gesellschaftlicher Veränderungen vorstellen zu können. Die Strukturen, die der Innensenator zerstören will, in dem Glauben damit die Autonomen Gruppen treffen zu können, sind die Orte aus denen etwas anderes entwickelt werden könnte als Gewalt. Zum Beispiel war die Liebig 14 unbedeutend für den militanten Anteil des radikalen Widerstands, sie stellte eher einen kulturellen und sozialen Gegenentwurf zur offiziellen Stadtpolitik dar. Auf ihre Räumung musste auch von Autonomen Gruppen reagiert werden, trotz vieler Differenzen, auch in der Hoffnung weitere Räumungen politisch nicht durchsetzbar zu machen.
Jetzt reagieren wir also auf den Angriff der Bullen und Investorensecus auf die Rigaer 94. Die Stadt Berlin könnte es sicherlich ertragen, wenn die wenigen Quadratmeter der Kadterschmiede oder auch des M99 nicht auch noch der Gewinnmaximierung geopfert werden. Auch wir hatten für diesen Fall angekündigt, den politischen und damit auch materiellen Preis in die Höhe zu treiben.
Vielleicht sind wir dabei einer Fehleinschätzung erlegen, denn sowohl vom durch John Dewhurst als auch Frank Henkel betriebenen Aufwand lässt sich kein materielles Motiv ableiten, die Kosten für derartige Bauarbeiten inclusive staatlichem und privatem Bewachungspersonal, steht in keinem Verhältnis zu erwartbaren Mieteinnahmen in diesen Räumen. Dieser Konflikt beruht auf einem machterhaltenden Beweis der repressiven Herrschaftssicherung wo Dialogangebote schon als Risiko gelten.
Tatsächlich hat sich dabei in den letzten Monaten auch die Beziehung der antiautoritären Strömung in Friedrichshain zur Nachbarschaft gewandelt, manches was in den letzten Jahren an militanten Aktionen gelaufen ist, würde momentan nicht passieren.
Zur Initiative von Müller und Lauer
Niemand von uns wird mit Vertreter/innen des Staates verhandeln. Wenn Politiker den Innensenator jetzt auffordern, mit „Linksextremen“ Gespräche zu führen, gibt es dafür keine Grundlage. Es gibt jedoch Möglichkeiten aus der gegenwärtigen Spirale zu entkommen. Ein Abzug von Bullen und Sicherheitsfirmen aus der Rigaer 94 und die Rückgabe der Räume an die Hausgemeinschaft, sowie ein Verzicht auf die Räumung des M99 würden von den für uns erreichbaren Zusammenhänge mit der Einstellung alle Tag X Aktivitäten und Angriffen beantwortet werden.
Auch wenn selbsternannte Sicherheitsexperten behaupten, dass es Zufall wäre, wenn es bei unseren Aktionen keine Toten gibt, unsere Gewalt ist direkt mit der Gewalt des Staates, der Nazis und der Gesellschaft verbunden. Ständiger Bestandteil unserer Planungen ist, dass kein Bulle oder Nazi dabei sterben wird, auch wenn unsere Feinde diese Hemmschwelle nicht kennen. Expandierende Auftritte von Nazis führen direkt zu verstärkter antifaschistischen Gegenwehr. Intolerante Tendenzen in der Gesellschaft fordern unseren Widerspruch heraus. Die Wähler/innen von Frank Henkel können ohne Sorge um ihre teuren Autos schlafen, wenn seine Einheiten aus der Rigaer 94 verschwinden.
Wir sehen aber auch die Gefahr, das Aktivist/innen aus dem libertären Spektrum oder Unbeteiligte durch die anhaltenden Gewaltwelle von Bullen und Sicherheitsleuten ernsthaft verletzt werden oder schlimmeres. Dann würden auch wir unser Verhältnis zur Gewalt überdenken müssen.
Als konstruktive Weiterentwicklung des Lauer – Vorschlags könnten zunächst der Bezirk Friedrichshain mit dem Senat und den Lobbyisten der Demokratie verhandeln, ob man jetzt für die Ziffern hinterm Komma in der Profitsteigerung eines Multimillionärs den permanenten Ausnahmezustand zelebrieren werden. Nicht nur die autonomen Gruppen werden die Verantwortlichen in dieser Falle festnageln.
Zum Brandanschlag auf Privatfahrzeug eines Bullen
Beliebt machen sich die Bullen nicht in Friedrichshain, ihre Besatzermentalität ruft Wut hervor. Über viele Umwege erreichten uns Beschwerden über einen Bullen, der sich privat im Gefahrengebiet bewegt, als wäre er unangreifbar. Am 5. Juli haben wir sein privates Auto mit dem Kennzeichen B – ND – 2017 in der Petersburger Straße angezündet. Das dabei Schaltkästen der BVG mit draufgingen freut uns.
Die Öffentlichkeit, auch in den Schichten die uns hassen, kann sehr gut unterscheiden zwischen den Handlungen autonomer Gruppen und dem Zündeln von Zuträgern der Behörden, wie es ironischerweise im Fall Marcel Göbel aufgedeckt wurde.
Wir sind für einige Sachen offen, den Beginn der Sommerferien oder für einen Schwarzen Juli!
Autonome Gruppen
Quelle: Linksunten