Berlin, September/Oktober 2015
Die Attacken gegen Neubauten in Kreuzberg werden immer aggressiver. Und dabei sind diese nicht mal luxuriös.
Ein Eckhaus an der Johanniterstraße wurde in der vergangenen Woche mit Farbe aus Feuerlöschern großflächig schwarz und blau besudelt. Im ersten Stock können die neuen Bewohner kaum noch aus dem Fenster gucken, so dicht ist die schwarze Farbe. Auf dasselbe Haus waren erst zwei Wochen zuvor etwa zwei Dutzend Einweckgläser mit Farbe geworfen worden – und zwar mit solcher Wucht, dass eine Scheibe zersprang und Löcher in den Putz geschlagen wurden.
Ein Bewohner sagte, dass die Gläser von der anderen Straßenseite geworfen worden seien, teilweise flogen sie bis ins fünfte Obergeschoss. Die wenigen Eigentümer, die das Haus bereits bezogen haben, sind entsetzt. Ein Bewohner berichtete, er sei von Karlshorst nach Kreuzberg gezogen, „weil hier mehr los ist“. Einen solchen Empfang habe er sich aber nicht vorgestellt. Zwar sei die Farbe von den Scheiben abwaschbar, da die Fenster aber nicht alle zu öffnen seien, müssten sie von außen gereinigt werden.Polizei äußert sich am Mittwoch
Eine Maklerin, die am Dienstag im Treppenhaus auf Interessenten wartete, berichtete, dass die Verwaltung sofort die Polizei benachrichtigt habe. Eine Pressemeldung gab es dazu jedoch nicht – anders als bei vielen vorangegangenen Anschlägen. Wieso, konnte die Polizei am Dienstag auf Anfrage nicht sagen, die Antwort soll erst am Mittwoch fertig sein.
Entworfen wurde der Neubau von einem Kreuzberger Architekten, erst vor zwei Wochen wurde er übergeben. Die Preise liegen nach Angaben eines Eigentümers im normalen Bereich, beginnen bei 3500 Euro pro Quadratmeter. Zuvor stand an der Ecke zur Brachvogelstraße ein unansehnlicher Flachbau der evangelischen Stadtmission. „Aus wirtschaftlichen Gründen“ habe man das Grundstück im März 2012 verkauft, hieß es in der Leitung der Stadtmission. Zuletzt habe es in der Johanniterstraße nur noch eine Notübernachtung für Obdachlose und ein Möbellager gegeben.
Gentrifizierungsgegner interessiert das nicht
„Hier wurde niemand verdrängt“, stellte ein Bewohner des Neubaus fest. Die Gentrifizierungsgegner interessiert das nicht. In der Nacht des ersten Anschlags Mitte September sollen weitere vier Häuser attackiert worden sein, darunter ein frisch sanierter Altbau in der Wilhelmstraße, ganz in der Nähe. Im vergangenen Jahr hatten Linksextremisten mehrfach einen Neubau in Mitte am Engeldamm, an der Grenze zu Kreuzberg, mit Steinen und Farbflaschen attackiert. Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist Gentrifizierung für Linksextremisten eines der wichtigsten Motive.
Quelle: Tagesspiegel