Das Wichtigste zu Beginn: es war ein halbschöner 26. September. Erfreulich war die hohe Anzahl von Antifaschist_innen und die geringe Anzahl an deutschen Untertanen. Weniger erfreulich war die massiv abgeriegelte Route inklusive Puffer-Zone mit einer Länge von bis zu 100m und die zu jeder Zeit aggressiv agierenden Bullen. Letztere verwundern aber wenig und lassen nach den letzten Wochen erfolgreicher Sitzblockaden gegen Legida-Aufmärsche, wieder sächsischen Alltag spürbar werden. Dazu brauchte es auch nicht erst „feige, dreiste Straftäter“ (Pfaffe Christian Wolff), denn kleinstes Abweichen geplanter Bullenstrategien wurde sofort mit aller Härte der Staatsgewalt beantwortet, was in Menschenmengen reitende Bullenstaffeln und Gebärden bzw. Verhaltensweisen vieler Bullen vom Niveau eines Hooligans einschließt.
Im Verlauf des Tages flogen einige Böller und kurzzeitig mussten auch ein paar Bullen einige Steine fressen. Das war jedoch alles halbgare Kost und ein kurzer Spaß. Warum nun im Nachgang aller Orten von „schwerer Randale“ (Bild) oder sonstiger Gewalteskalation geschrieben, erschließt sich uns nicht so ganz. Das war, verglichen mit den Zeiten von Worchs Nazi-Aufmärschen, keine große Aufregung wert. Aber auch hier sollte Realität über Wunschdenken siegen und eigentlich war klar, dass der erste geworfene Kieselstein entsprechende Schlagzeilen hervorrufen würde.
Kommen wir aber zum eigentlichen Skandal: die massive Entsolidarisierung aus dem vermeintlich eigenen Lager. Lichtgestalt zivilgesellschaftlichen Begehrens und Pfaffe Christian Wolff durfte bereits eingangs seinen Blödsinn wiedergeben, der im weiteren Kommentar erschüttert über die angeblich nicht handelnden Bullen berichtete wo es sich doch schließlich einen „mutwilligen, vorsätzlichen Angriff auch auf Menschen“ (die Rede ist von einem zerstörten Bullenauto) handelte. Auch die Facebook-Helden von „No Legida“ haben auf ungehorsame Verhaltensweisen „keinen Bock“ und meinen so etwas sei „vor allem unsolidarisch und zum jetzigen Zeitpunkt ein völlig falsches Signal“. Letzterer Standpunkt legt dabei die interessante Seite dieser Form der Entsolidarisierung offen. In anderen Bündnissen gilt häufig der Grundsatz: „Jeder nach seinen Aktionsformen – das Ziel sollte die Verhinderung der Faschisten sein – wir sind mit allen Leuten solidarisch, die dieses Ziel teilen“. Dieser Grundsatz führt immer wieder zu Reibungen (zuletzt im Nachgang vom Destroika in Frankfurt beobachtbar), aber die Möglichkeit der Eröffnung vieler Spielräume bei vielen unterschiedlichen Aktionsformen gilt gemeinhin als Binsenweisheit. Das scheint augenscheinlich für einige autoritäre Linke, Couragierte etc. in Leipzig nicht zu gelten. Der zweite Punkt der Aussage weist überdies auf ein völlig verqueres Weltbild, oder besser: Bild vom gegenwärtigen Sachsen auf. Geradezu täglich brennt es, es gibt Übergriffe und Anschläge auf alle Feinde faschistischer Mobilmachung und „No Legida“ setzt weiter auf Trillerpfeifen und verurteilt Antifas ohne Lust auf mediales Spektakel im selbst ernannten „weltoffenen Leipzig“ – sagt mal hackts noch?! Oder im euren lässigen Hashtag-Slang zu bleiben: Seriously?!
Zum Abschluss einiges Wunschdenken von uns:
Leipzig wird weiterhin mit faschistischen Aufmärschen zu kämpfen haben. Über die Wahl der Mittel entscheiden die partizipierenden Individuen für sich. Anstatt Autoritäten walten zu lassen, sollten die oben angesprochenen Freiräume für ALLE Aktionsformen ins Bewusstsein geraten. Wenn Leute keine Lust auf Trillerpfeifen, Puffer-Zonen, Bullen, dummdreist grinsende Untertanen aufgrund fehlender Gefährlichkeit unsererseits oder die Absicherung einiger spontaner Gesten mittels Anmeldung jeder spontanen Versammlung (was einige Gefahren in sich birgt, aber irgendwann mal dazu mehr) haben, dann ist das deren verdammtes Recht. Entsolidarische Sprüche helfen im Nachgang nur repressiven Strukturen oder dem politischen Feind. Darin könnte ein erster Schritt hin zu einem so oft gewünschten „Aktionskonsens“ liegen. Alles weitere erklären hoffentlich unsere Anmerkungen.
Anstatt einer Fußnote – Kleines Schmankerl vom autoritären „No Legida“:
„Ich distanziere mich von taten, du Depp. Gefällt dir nicht, dann geh mit Gott, aber geh. Mir völlig egal. Es sollte allen klar sein, wie Polizei reagiert, wenn sie mit Steinen beworfen wird. Und die Menge war so heterogen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass Unbeteiligte leiden. Findste geil? Dann bleib weg.“
Quelle: Linksunten
Weiterer Text: [LE] Massenmilitanz
Presse:
Mopo24: Randale bei Demonstrationen in Leipzig
MDR: Verletzte bei Demonstrationen in Leipzig
LVZ: 13 Polizisten verletzt – Schock nach Leipziger Demo-Krawallen
Polizei:
Versammlungsgeschehen um GIDA am 26.September 2015
Verantwortlich: Uwe Voigt / Stand: 26.09.2015, 21:10 UhrDie Initiative „Offensive für Deutschland“ zeigte eine Versammlung mit Aufzug in Leipzig an.
Die Initiatoren der Gegenproteste hatten insgesamt fünf Aufzüge und Kundgebungen angezeigt. Der Aufzug „Nachbarinnengemeinschaft gegen Nazis“ vom Rabet bis zum Johannissplatz war mit ca. 500 Teilnehmern unterwegs. Am Ende der Strecke liefen die Teilnehmern Richtung Augustusplatz, dem Antreteplatz der Demonstration „Offensive für Deutschland“. Der Aufzug „No border, no nation. Rassist*innen die Stirn bieten“ lief vom Wiedebachplatz bis zum Wilhelm-Leuschner-Platz mit ca. 1.000 Teilnehmern. Anschließend wurde die Veranstaltung beendet und die Teilnehmer liefen ebenfalls in Richtung Augustusplatz. Auch die anderen angezeigten Kundgebungen bzw. Aufzüge verliefen reibungslos.
Bei der Versammlungsbehörde meldete eine Person gegen 14:00 Uhr eine Spontandemonstration am Augustusplatz/ Ecke Goethestraße an, die durch die Versammlungsbehörde bestätigt wurde. Diese wurde gegen 15:00 Uhr wieder beendet. In der Zwischenzeit hatten sich die Teilnehmer der verschiedenen Gegendemonstrationen um den Augustusplatz versammelt. Hier führten sie eine Sitzblockade zum Zugang der Veranstaltung der „Offensive für Deutschland“ durch. So kam es zu einem größtenteils dezentralen und mobil-dynamischen Gegenprotest entlang bzw. auf der geplanten Aufzugsstrecke.
In Absprache zwischen Versammlungsbehörde und dem Versammlungsleiter wurde vereinbart die Aufzugsstrecke zu verkürzen und nur bis zum Wilhelm-Leuschner-Platz zu laufen und zurück.
Bereits am Augustusplatz wurden Polizeibeamte durch Gegendemonstranten angegriffen. Es kam zu Rangeleien und dem Anzünden von Pyrotechnik. Die Polizei hatte aber jederzeit zu diesem Zeitpunkt die Lage unter Kontrolle. Im Bereich Augustusplatz, noch vor Beginn des Aufzuges kam es zu einem Angriff von Gegendemonstranten auf Teilnehmer der „OfD“ (Offensive für Deutschland“). Die Personen konnten durch die Polizei in Gewahrsam genommen werden. Dabei wurde ein Polizeibeamter verletzt. Nach Angaben der Versammlungsbehörde waren ca. 350 Teilnehmer der „Offensive für Deutschland“ vor Ort. Um 16:00 Uhr begann der Aufzug. Die Gegendemonstranten begleiteten den Aufzug in Hör- und Sichtweise sehr aggressiv. Es kam zu erheblichen Verkehrseinschränkungen.
Während des Aufzuges kam es zu massiven Steinwürfen und Flaschenwürfen gegen die Aufzugsteilnehmer und die Polizei. Rund um den Streckenverlauf wurden immer wieder Barrikaden durch die Gegendemonstranten aufgebaut. Nur durch intensiven Einsatz der Polizeibeamten wurde verhindert, dass die beiden Lager aufeinandertrafen. Als der Aufzug wieder am Augustusplatz ankam, drohte die Situation zu eskalieren, so dass die Wasserwerferstaffel zum Augustusplatz verlegte, aber nicht zum Einsatz kam.
Der Abgang der Aufzugteilnehmer wurde anschließend (gegen 17:45 Uhr) mehrheitlich über die Goethestraße realisiert. Innerhalb der nächsten Stunde beruhigte sich dann das gesamte Personen- und Verkehrsaufkommen in der Leipziger Innenstadt auf das auch sonst übliche Maß.
Die Polizeidirektion Leipzig zieht kein positives Einsatzfazit. Sie war mit ca. 800 Beamten im Einsatz, musste aber feststellen, dass Blockadebestrebungen und beiderseitige Verbalattacken nicht ausblieben und dass es zu massiven, aggressiven und sogar gewalttätigen Handeln kam und die Polizei dabei ebenfalls massiv angegriffen wurde.
Die vorläufige Bilanz des Einsatzes: 13 verletzte Polizeibeamte; 17 Einsatzfahrzeug beschädigt und 12 Personen in Gewahrsam. (Stand: 20:45 ) (Vo)