Hamburg, 29. Juni 2020
Die Familie von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) ist erneut Ziel einer mutmaßlich linksextremen Attacke geworden. Wie die Polizei mitteilte, wurden die Reifen des Autos der Ehefrau von noch Unbekannten zerstochen. Der Wagen war seit Samstagabend im Stadtteil St. Pauli geparkt, erklärte ein Sprecher am Dienstag. Der Wagen stand bis Montagnachmittag in der Wohlwillstraße.
Wann die vier Reifen zerstochen wurden, ist unklar. Der Staatsschutz im Landeskriminalamt habe die Ermittlungen übernommen. Mitte Dezember vergangenen Jahres hatten Maskierte Farbe und Steine auf Grotes Dienstwagen geworfen, als er seinen damals zweijährigen Sohn zur Kita brachte. Einen Tag danach war ein Bekennerschreiben auf einer linksextremistischen Internet-Plattform aufgetaucht.
Eine Gruppe Maskierter hatte sich dem Auto des Innensenators genähert und dieses angegriffen, als es an einer Kreuzung im Stadtteil St. Pauli halten musste. Am Steuer saß der Chauffeur des Senators. Die Polizei ging von einer gezielten und geplanten Aktion aus. Zwar habe es zuvor bereits Farbmarkierungen am Haus Grotes auf St. Pauli gegeben, sagte eine Polizeisprecherin. Dieser Anschlag habe aber eine neue Qualität.
Grote selbst hatte sich über Twitter zu dem Anschlag geäußert: „Als Innensenator muss ich mit solchen Angriffen rechnen. Aber einen solchen Anschlag bewusst zu verüben, während ich gerade meinen zweijährigen Sohn zur Kita bringe – das ist erbärmlich“, schrieb er.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte nach der Tat in einer Nachricht auf Facebook auf das Datum des Angriffs hingewiesen: Der 13.12. würde aufgrund der Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet in der Szene auch als ACAB-Tag verstanden. Die Abkürzung steht für die in der linksextremen und Hooligan-Szene oft benutzte englische Formulierung „All cops are bastards“, was so viel heißt wie: Alle Polizisten sind Bastarde. Unmut gegen Grote hatte es auf St. Pauli zuvor bereits Mitte Oktober gegeben. Eine Podiumsdiskussion mit ihm im Millerntor-Stadion über Werte im Fußball musste unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, nachdem Fans des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli Proteste angekündigt hatten.
In einem Bekennerschreiben, das auf Indymedia.de veröffentlicht worden war, hieß es, die Attacke habe „für die Parkbankcrew“, „für die Verletzten und Angeklagten im Rondenbargverfahren“ und „für uns“ stattgefunden. Die Begriffe „Parkbankcrew“ und „Rondenbargverfahren“ stehen im Zusammenhang mit Einsätzen beim G-20-Gipfel in Hamburg.
An der Straße Rondenbarg im Stadtteil Bahrenfeld waren am Morgen des 7. Juli 2017 etwa 150 bis 200 schwarz gekleidete und vermummte Personen in geschlossener Formation auf eine Hundertschaft Polizisten getroffen. Die mit Steinen, Werkzeugen und Böllern bewaffnete Gruppe soll die Beamten der Bundespolizei angegriffen haben, die den Rondenbarg abgesperrt hatten. Im Herbst 2019 erhob die Staatsanwaltschaft 19 Anklagen gegen zumeist junge Verdächtige.
Als Gründe für die Tat wurden in dem Schreiben unter anderem „tausendfache rassistische Kontrollen zur vermeintlichen ,Bekämpfung der Drogenkriminalität‘“, das neue Hamburger Polizeigesetz und die „hundertfache Körperverletzung und Freiheitsberaubung während des G 20 2017“ in Hamburg angegeben. „Repressive Meilensteine pflastern Grotes Innensenatorweg“, hieß es weiter. Möglicherweise steht die Attacke auf den Wagen der Ehefrau ebenfalls in diesem Zusammenhang.
Grote selbst steht aktuell unter Druck, nachdem er eingeräumt hatte, sich am Tag seiner Wiederernennung zum Innensenator am 10. Juni mit 30 Freunden und Bekannten bei einem „gemeinsamen Gastronomiebesuch“ zu einem „Getränk auf Abstand“ verabredet zu haben. Im Nachhinein hatte er das Treffen als „dummen Fehler“ bezeichnet und sich mehrfach entschuldigt. Allerdings bestreitet er, damit gegen Corona-Regeln verstoßen zu haben. Die Opposition fordert seinen Rücktritt.
Quelle: Welt