Berlin, 13. November 2019
Eine Villa im besseren Teil des Berliner Stadtteils Karlshorst. Hier residiert die Familie Tragsdorf, Andrea – zuständig für die Hausverwaltung der Liebig34, Tilo – ehemaliger Wirtschaftsstadtrat von Friedrichshain, Sohn Tom – ganz frisch im Immobiliengeschäft. Hier trug sich letzte Nacht zu, was längst überfällig war: in der Gundelfingerstr.49 klirrten die Scheiben im Erdgeschoss, ein Auto wurde geplättet und noch mehr am Ego kratzen sollte der SUV, der von innen mit Buttersäure besudelt wurde. Unser bescheidener Beitrag zum Räumungsprozess der Liebig34 am Freitag (9h Landgericht Berlin, Tegeler Weg).
Mit den Tragsdorfs hat es Menschen getroffen, die seit mehreren Jahrzehnten der Unternehmensgruppe Padovicz (1) zuarbeiten und sich selbst an der Verdrängung und Verelendung von Mieter*innen bereichern. Die Aktion ist keine Selbstjustiz, schließlich wird dadurch kaum Gerechtigkeit hergestellt. Wir wollen die Verantwortlichen daran erinnern, dass wir nicht einfach klein bei geben wenn sie die Liebig34 auf die Straße setzen wollen um ihren Kontostand aufzubessern.
Familie Tragsdorf – Berliner Filz:
Tilo war Wirtschaftsstadtrat für Friedrichshain in den 90ern. 1996 gründete er die Hausverwaltungsfirma Factor, die er 2000 an seine Frau Andrea übertrug. Mit seiner Firma „Büro für Wirtschaftsplanung und Projektentwicklung (BWP)“ übernahm er Anfang der 2000er das Quartiersmanagement Boxhagener Platz (2) im Auftrag des Bezirksamts. Seine Plattform Gewerberaumboerse.de (3) war beauftragt, leerstehende Gewerberäume in Altbauten zur Nutzung zu vermitteln. Während Andrea mit der Hausverwaltung Factor durch nicht zulässige Mieterhöhungen auffiel, war Tilos Firma BWP gleichzeitig Beratungsfirma zum Schutz vor fragwürdigen Praktiken von Hausbesitzer*innen. Insgesamt setzte das Quartiersmanagement in dieser Zeit die Grundsteine für die krasse Verdrängung von allen Menschen die nicht in die heteronormative bürgerliche Kleinfamilien-Idylle passen.
All die Kritik und der Widerstand, den es gegen das Quartiersmanagement, und gegen die Tragsdorfs, schon Anfang der 2000er gab (4) schadete der Familie nicht. Im Gegenteil: Andrea ist weiterhin Geschäftsführerin bei Factor, während Sohn Tom seit Ende 2018 seine eigene Firma hat (Komplex Grundstücksverwaltung GmbH) mit der er immer mehr Aufträge von Factor übernimmt.
Auch Tilo ist weiterhin im Immobiliengeschäft aktiv mit diversen Business-Konzepten. Er betreibt weiterhin die Gewerberaumboerse und seit 2018 auch die Webseite boxhagenerplatz.org (5) sowie den Wochenmarkt selbst. Auch beim Suicide Circus (RAW Gelände) steht Tragsdorf im Impressum als Geschäftsführer (6). Hauptsächlich ist er aber als Consultant mit den Firmen kontor.mum Betriebsberatungsgesellschaft mbH und der BIF Managementberatung GmbH aktiv.
Politisch schadete Tragsdorf sein Verhalten nicht. So war er bis 2018 noch Sprecher des Arbeitskreises 1 „Netzwerk für Existenzgründer und Wirtschaftsförderung“ (7) im Bündnis für Wirtschaft und Arbeit Friedrichshain-Kreuzberg. Das Bündnis ist Bestandteil der bezirklichen Wirtschaftsförderung.
Unter einer Decke mit Padovicz
Neben eigenen Aktivitäten im Kiez unterhält die Familie Tragsdorf gute Verbindungen zur Padovicz Unternehmensgruppe. Zu der Zeit zu der Tragsdorf Wirtschaftsstadtrat war, kaufte Padovicz eine Reihe an Häuser in Friedrichshain. Durch die Vermittlung über das Bezirksamt erhielt Padovicz etwa die Hälfte aller Fördergelder der Altbau-Sanierungen (8) im Bezirk Friedrichshain (mehrere Millionen DM). In dieser Zeit der Eigentumsanhäufung der UG Padovicz spielten die Tragsdorfs mehrere Rollen: Zum einen verwalten sie bis heute den Großteil der Padovicz-Immobilien (9). Als Geschäftsführer von Lucrum Liegenschaftsgesellschaft mbH erwarb Tilo mehrere Immobilien für Padovicz und vermittelte ihm weitere Immobilien, die das Quartiersmanagement im Fokus hatte. Es ist kein Zufall, dass Padovicz rund um den Boxhagener Platz der größte private Eigentümer ist (10).
Anfragen im Abgeordnetenhaus, Ermittlungen des Landeskriminalamts und der Investitionsbank Berlin wegen Fördermittelbetrug, aufgrund von Protest der Friedrichshainer Anwohner*innen (11) setzten dem Treiben kein Ende. Noch 2013 verkaufte das Land Berlin das Grundstück Hauptstraße 23 (Lichtenberg) an die Padovicz-Firma Lucrum Liegenschaftsgesellschaft mbH. Das letzte Filetstück in der Rummelsburger Bucht konnte Padovicz noch im Sommer 2018 vom Land Berlin erwerben (12). Und im Sommer 2019 setzte das Bezirksamt Lichtenberg noch eins drauf: Es erlaubte Padovicz den Abriss von Wohnhäusern und Neubebauung der Rummelsburger Bucht (12). Auch für Padoviczs Bebauungspläne in der Rummelsburger Bucht ist Tragsdorfs Büro in der Warschauerstr. 46 Ansprechpartner (13).
Hinzugekommen ist im Herbst noch der Wiesenweg 1-4, ein weiteres Grundstück welches der Lucrum Liegenschaftsgesellschaft mbH seit einigen Jahren gehört und von Tragsdorf vermietet wird. Hier will Padovicz ein Bürogebäude hinsetzen und vom Boom des Ostkreuz profitieren. Das Bezirksamt Lichtenberg hat zu einem beschleunigten Verfahren schon das Go gegeben (14). Verdrängt werden Kleingewerbe und Clubs.
Genug mit der Verständnis-Buhlerei
Wir sind nicht die ersten, die diese Informationen über Padovicz, Tragsdorf und die Bezirkspolitik ans Tageslicht bringen: seit den 2000er existieren eine Fülle von Rechercheartikel (15), es gab etliche Kiezspaziergänge, Kundgebungen, Demos, Gespräche mit Lokalpolitiker*innen, Shaming-Kampagnen gegen Padovicz (16) und vieles mehr. Seit 1,5 Jahren gibt es eine ähnliche Kampagne um den Erhalt der Liebig34. Doch niemand hört zu – warum auch?
Offensichtlich braucht es mehr um Padovicz das Handwerk zu legen. Anstatt um Verständnis zu werben, zu informieren und um Solidarität zu bitten, sollten wir dazu über gehen zu sabotieren, zu blockieren und empfindlich zu stören (Aktionsideen hier: 17).
Ob die Liebig34 erhalten bleibt entscheidet sich nicht im Prozessaal, sondern auf der Straße!
Für einen militanten Queer-Feminismus: Eskalation statt Räumung!Zum Nachlesen:
(1) https://padowatch.noblogs.org/firmengeflecht-familie-padovicz/
(2) http://www.scheinschlag.de/archiv/2001/09_2001/texte/10.html
(3) https://www.bmgev.de/mieterecho/291/bezirk/14.htm und http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/KlAnfr/ka17-11776.pdf
(4) https://de.indymedia.org/2007/12/201661.shtml und http://wba.blogsport.de/images/brosch_doppel.pdf
(5) http://boxhagenerplatz.org/?page_id=44
(6) https://suicide-berlin.com/impressum.html und https://de.indymedia.org/2008/03/210032.shtml
(7) https://www.facebook.com/DieAnrainer/photos/erfolgreicher-kiezspaziergang-zu-padovicz-immobilien%C3%BCbrigens-tilo-tragsdorf-ex-w/2012874115693274/
(8) http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/SchrAnfr/s17-16901.pdf
(9) https://padowatch.noblogs.org/unsicherheits-factor-fuer-mieterinnen/
(10) http://u.osmfr.org/m/221319/
(11) https://www.bmgev.de/mieterecho/283/bezirk/32.pyhtml
(12) https://www.tagesspiegel.de/berlin/bebauungsplan-ostkreuz-beschlossen-de…
(13) http://www.rummelsburger-ufer.de/index.php?id=58
(14) https://leute.tagesspiegel.de/lichtenberg/intro/2019/06/24/85901/
(15) https://padowatch.noblogs.org/presse/
(16) https://taz.de/Widerstand-gegen-Vermieter/!5586627/
(17) https://de.indymedia.org/comment/132368#comment-132368
Quelle: Indymedia (Tor)
In der vergangenen Nacht kam es in Karlshorst zu Sachbeschädigungen mit politischem Hintergrund. Gegen 2.25 Uhr alarmierte ein Anwohner die Polizei, nachdem er lautes Klirren wahrgenommen hatte. Zeitgleich schaute er aus dem Fenster und sah mehrere vermummte Personen die auf Fahrrädern flüchteten. Anschließende Ermittlungen ergaben, dass Scheiben eines Wohnhauses im Erdgeschoss mit Steinen eingeworfen worden waren. Darüber hinaus wurde die Beifahrerseitenscheibe eines in der Einfahrt geparkten Audis zerstört und eine übel riechende Flüssigkeit im Wageninneren verteilt. Bei einem Toyota, der ebenfalls in der Einfahrt stand, war von unbekannten Tätern ein Reifen beschädigt worden. In dem Haus ist die Geschäftsführerin einer Grundstücksverwaltung, zu der auch die beiden Autos gehören, wohnhaft. Die Ermittlungen des Polizeilichen Staatsschutzes beim Landeskriminalamt Berlin dauern an.
Quelle: Polizei