Münster, November 2019
Wir haben anlässlich des drohenden „Volkstrauertages“ die NS-Ehrenmale für den Nazigeneral Gerhard Glokke und die NS-Einheit „Hammerdivision“ auf dem Waldfriedhof Lauheide bei Münster mit Farbe angegriffen. Und zwar deshalb:
Deutschland 74 Jahre nach der Befreiung durch die Alliierten. Ein Musterbeispiel an Vergangenheitsbewältigung: Entnazifizierter Gedenkweltmeister, Vorzeigenation aufgeklärter Patriot*innen, gerade 30 Jahre friedlich wiedervereinigt… also alles in bester Ordnung? Einen Scheiß ist es! Ein Blick auf Münsters größten Friedhof, den Waldfriedhof Lauheide zeigt, wie wenig sich nach 1945 getan hat:
Dort liegt ein großer Kriegsgräberfriedhof mit 5 sogenannten Grabfeldern für Menschen, die im zweiten Weltkrieg ums Leben kamen. Auf diesem stehen neben Gräbern von britischen Soldat*innen, Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen aus Polen und der Sowjetunion auch die „Ehrengräber deutscher Kriegstoter“ und das „Ehrenmal der 329. Infanteriedivision der Wehrmacht“.
Neben jenen, die durch den deutschen Vernichtungskrieg, die Shoa oder im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben verloren, liegen da also gleichberechtigt ausgerechnet diejenigen, die das mörderische System des Nationalsozialismus getragen oder selbst gemordet haben. Eine Geste der Versöhnung, gewährt von den Täter*innen und ihren Kindern, denen es vor allem darum ging, die eigenen Opfer und das eigene Leid zu bedauern.
Darunter Nazischweine wie Fritz Schmidt, als Generalkommissar der Nazis in den Niederlanden zuständig für Propaganda, Enteignungen, Deportationen und Morde. Bis zu diesem Jahr wurde Schmidt mit einem Ehrengrab gewürdigt, dass es nun von der Verwaltung abgeräumt wurde lag aber nicht an den Verbrechen, die er begangen hat, sondern an dem rein formalen Grund, dass er nicht in „Ausübung seiner Pflicht“ oder während Kriegshandlungen starb. Wäre Fritz Schmidt nicht 1943 bei einer Fahrt zum Atlantik aus dem Zug gestürzt, läge dieses Nazischwein mit dem goldenen Parteiabzeichen der NSDAP also immer noch in vollen „Ehren“ in Lauheide.
Gerhard Glokke, dem ehemaligen kommandierenden General des Wehrbezirks Münster, wird diese Ehre weiterhin zuteil. Der starb zwar ebenfalls wenig rühmlich an einem Herzinfarkt, das aber in Ausübung seines Dienstes für die Wehrmacht. Und die war ja bekanntlich „sauber“, zumindest wenn man die Täter*innen selbst fragt. Also Ehre wem Ehre gebührt: Als General wird das Nazischwein mit Schulterklappen und diversen Orden mit einem eigens abgesetzten prominent platzierten Ehrengrab direkt hinter dem großen Steinkreuz für seinen Beitrag zum Vernichtungskrieg der Wehrmacht gefeiert.
Zu Glokkes Verdiensten für die Nazis gehörte auch der Aufbau von Truppen wie des 329. Infanterieregiments der Wehrmacht. Als Einheit zur Niederschlagung von Aufständen – also zur Begehung von Verbrechen an der Zivilbevölkerung – aufgestellt, kämpfte die „Hammerdivsion“, wie sie sich selbst nannte, ab 1942 an der Ostfront und kapitulierte erst am 8. Mai 1945 mit den letzten deutschen Truppen. Eine Truppe fanatischer Nazis, die unter dem Motto „hart und entschlossen, gläubig und froh, tapfer und treu“ für den Nationalsozialismus kämpfte und mordete. Aber davon will man in Lauheide lieber nichts wissen. Stattdessen werden diese Mörder als Friedensbringer verklärt: „Die Frucht ihres Todes sei der Friede auf Erden.“ steht schließlich auf dem großen „Ehrenmal“, dass dort für die Nazibande errichtet wurde. Direkt unter dem NS-Wappen der Einheit und auf der Rückseite ergänzt um eine Aufzählung der Orte ihrer größten „Schlachten“ (=Kriegsverbrechen). Echte deutsche „Helden“, deren Tod schließlich einen Sinn haben muss. Sonst kann man sich ja schlecht jährlich davor versammeln und mit den alten Kameraden gleich auch den guten alten Zeiten hinterher trauern.
All das abgesegnet vom Bund für deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Stadt Münster, der Bezirksregierung und allen, die vor allem gerne darüber reden, dass die Deutschen ja im Krieg auch so gelitten haben. Haben sie. Aus Gründen. Weil sie sich am industriellen Massenmord und Vernichtungskrieg beteiligt haben zum Beispiel. Oder weil sie das System, dass diese ermöglichte, gestützt und bejubelt haben. Wer das vergessen machen will oder versucht, hier Täter*innen und Opfer auf eine Stufe zu stellen, dem entgegnen wir frei nach Bertolt Brecht: Und die da reden von Vergessen und die da reden von Verzeihen. All denen schlage man die Ehrenmale mit schweren Eisenhämmern ein!
Quelle: Indymedia (Tor)